Harter
Rock aus böser Welt (Ludwigshafener Rundschau am 03.07.1999)Bericht
von
unbekannt / Abgetippt von Benjamin
Reinhardt
"Lieder wie Orkane" mit den Böhsen Onkelz, Danzig und Saxon
statt Open-Air in der Mannheimer Maimarkthalle Ursprünglich sollte das Ganze ja
als Open-Air über die Bühne gehen, dann lief der Vorverkauf für Onkelz & Co.
offenbar so grausam schlecht, dass "Lieder wie Orkane" kurz entschlossenzur
Hitzeschlacht in und nicht vor der Maimarkthalle umfunktioniert wurde. Satt "Gehasst,
verdammt, vergöttert" - dem viel- und doch nichtssagenden Slogan des Headliners
aus Frankfurt - galt am Samstag für die Rockfans der Wahlspruch "Geschwitzt,
verbrannt, verdurstet". Die Organisation gerade an den Getränkeständen war
nämlich echt lausig und bei heftigen Temperaturen in der Halle kam erst beim
rund zweistündigen Set der Böhsen Onkelz Stimmung auf. Die Rahmenbedingungen für
die Supportacts Danzig, Saxon, Rose Tattoo und Megaherz ließen aus dem
angekündigten Orkan bis 20.30Uhr nur ein lauhes Lüftchen werden. Sozusagen als
Ausgleich kündigte Onkelz-Frontman Kevin Russell gleich zu Beginn großspurig an,
"alles zu tun, um Euch zufrieden zu stellen". Das war dann auch scheinbar nicht
so ungeheuer schwer, denn der gemeine Onkelz-Anhänger ist begeisterungsfähig,
sangesfroh und hitzerobust. Was ist also dran an dieser Band außer der ständigen
Diskussion über ihren politischen Background? Das musikalische Konzept kann es
schon mal nicht sein: Uninspirierter Durchschnittsrock, der so unoriginell ist,
dass es schon fast weh tut. Gitarrist Matthias "Gonzo" Röhr versteckt sich
hinter 08/15-Riffs der ganz platten Sorte, der Rest der Combo spielt solide
seinen Stiefel ´runter, und das war´s auch schon. Bleiben also im Prinzip nur
die Texte, und da wird es ganz finster: Simple Proll-Lyrik, abgenutzte
Allgemeinplätze aus dem Dunstkreis der Stammtische, tumbe Parolen zum einfachen
Mitgrölen - dagegen sind sogar die Toten Hosen noch veritable Salonpoeten. "Wir
gehen zum lachen in den Keller und wir trinken Terpentin". Da kann man ruhig mal
länger drüber nachdenken und kommt dann aus reinem Vernunftsdenken direkt zu dem
Schluss, statt Terpentin doch lieber ein Warsteiner Medium zu probieren - das
hat weniger Alkohol und schmeckt wahrscheinlich besser. "Finde die Wahrheit",
lautet der nächste Tip von Texter Stephan Weidner. "Die, die du haßt, teilen
alles mit Dir", heißt es in einem anderen Song bedeutungsraunend oder vielleicht
doch eher bedeutungslos. Das Selbstverständnis des hessischen Skandalquartetts
ist durchaus amorph: Martialische Standortbestimmungen wie "Wir sind ein Schlag
ins Gesicht" aus "Viva los tioz" stehen neben einem (hoffentlich) ernstgemeinten
Statement gegen Rechtsradikalität ("Deutschland im Herbst"). Entweder wollen die
Onkelz nicht eindeutig Stellung beziehen oder sie können es nicht. Beides macht
die Band zu einer hochbrisanten Angelegenheit und dürfte den eigentlichen Reiz
für ihre Fans darstellen. Outlaw-Attitüde kommt an, ein bißchen fühlt sich an
diesem Abend in Mannheim jeder so, und das schweißt zusammen. Der Rest ist
schnell erzählt: Glenn Danzig - in Fachkreisen nur "Schinkengott" genannt -
verschoß sein Pulver schon mit seinem einzigen echten Hit "Mother" als Opener
eines mageren 40minütigen Sets. Saxon sind seit ungefähr 15 Jahren nur noch ein
Schatten ihrer selbst. Rose Tattoo standen noch nie für revolutionäre Musik, und
Megaherz reiten im Fahrwasser von Rammstein halt auch ein bißchen auf der
Teutonenrockwelle mit. Dass es aus Sicht der Mannheimer Polizei im Zusammenhang
mit dem Festival auf dem Maimarktgelände keine größeren Probleme gab, ist wohl
das Erfreulichste an der ganzen Veranstaltung.
Kommentar: Der Autor dieses Berichts war ein anderer als der, der am
03.07. einen Artikel verfasste, welcher Pro-Onkelz ausfiel.
Mit freundlicher Genehmigung von
Internet@Onkelz
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