Garstige Buben mit schnittigen Songs (Ludwigshafener Rundschau am 03.07.1999)

Bericht von Mike Seifert / Abgetippt von Benjamin Reinhardt

Rock: Heiße Stimmung bei den Böhsen Onkelz in der Mannheimer Mainmarkthalle

Irgendwer hat gezählt, daß diesen Sommer in ganz Deutschland über 200 große Rock-Festivals unter freiem Himmel stattfinden. Das strapaziert freilich die Geldbörsen der Fans gewaltig, am Ende verzeichnen viele Open-airs weniger Besucher als von den Veranstaltern erwartet. Betroffen davon ist auch die Frankfurter Gruppe Böhse Onkelz: Deren "Lieder wie Orkane" sollten in Mannheim auf dem Maimarktgelände erschallen, das Wetter wäre dafür auch geradezu bombastisch gewesen; weil der Vorverkauf jedoch eher schleppend lief, hätte ein Freiluft-Konzert finanzielle Einbußen bedeutet, das Ereignis wurde in die Maimarkthalle verlegt. Jedoch durfte das Publikum nach Lust und Laune rein und raus, draußen versuchten zahlreiche Imbiß- und Getränkestände den Open-air-Charakter wenigstens teilweise zu retten.

Drinnen empfiehlt sich der Aufenthalt indes nur für gestählte Naturen. Über 10 000 Besucher an einem extremen Hitzetag in einer Stahl- und Beton-Halle lassen manchen schon mal in die Knie gehen. Zu denen gehört auch Sänger Angry Anderson von der australischen Combo Rose Tattoo, der sich beim Auftritt so ordentlich ins Zeug legt, daß er hinterher umkippt. Nach dem Eröffnungs-Gig der Münchner Band Megaherz, die eine ganz dreiste und stumpfsinnige Rammstein-Kopie ist, zeigen Rose Tattoo, daß sie noch immer so dreckigen, rotzigen und gemeinen Rock draufhaben wie in ihren Anfangstagen.

Bluesgetränkte Songs wie "The Butcher And Fast Eddie" mit einer irre schnittigen Slide-Gitarre oder wilde Kracher wie "Assault & Battery", "Rock 'n' Roll Outlaw" und "Nice Boys Don't Play Rock 'n' Roll" werden zünftig dargeboten, Anderson schreit sich dazu die Kehle aus dem Leib - und zeigt ansonsten, daß das Böse-Buben-Gehabe der Gruppe eben bloß ein Image ist: In Wirklichkeit ist er selber nämlich ein netter Kerl, spricht das Publikum konsequent mit "brothers and sinsters" an und streut geradezu messianische Botschaften in seine Ansagen.

Die englische Gruppe Saxon kann an diese Glanzleistung nicht ganz anknüpfen. Sie bringt flotten Heavy Metal mit Böllern wie "Solid Ball Of Rock", klingt aber über weite Strecken, als würden sich die Sünden der Vergangenheit rächen: Machte die Gruppe in ihren Anfangstagen vor fast zwanzig Jahren gerne ihren Vorbands das Leben zur Hölle und verstellte ihnen die Mischpult-Justierungen, so ist nun der Saxon-Sound in der Maimarkthalle überhaupt nicht gut. Nur wesentlich besser ergeht es US-Sänger Glenn Danzig, der zudem keinen leichten Stand beim Publikum hat, weil er sich stilistisch zu weit von seinen Wurzeln entfernt hat. Gut die Hälfte seines Repertoires läßt die Fans kalt.

Ganz heiß dann die Stimmung bei den Böhsen Onkelz, die mit einem Top-Sound richtig abräumen. Sie servieren den Gästen einsatzfreudig ihre schmissigen Hymnen wie "Heilige Lieder" oder "Terpetin" und sparen nicht mit garstigen Kommentaren: Das Stück "Der nette Mann von nebenan" über Kinderschänder etwa wird ganz frech "allen Belgiern" gewidmet. Der einfache, aber effektive Rock der Onkelz wird von den Fans frenetisch gefeiert.

Mit freundlicher Genehmigung von Internet@Onkelz