Rock: Heiße Stimmung bei den Böhsen Onkelz in der Mannheimer
Mainmarkthalle
Irgendwer hat gezählt, daß diesen Sommer in ganz Deutschland
über 200 große Rock-Festivals unter freiem Himmel stattfinden. Das strapaziert
freilich die Geldbörsen der Fans gewaltig, am Ende verzeichnen viele Open-airs
weniger Besucher als von den Veranstaltern erwartet. Betroffen davon ist auch
die Frankfurter Gruppe Böhse Onkelz: Deren "Lieder wie Orkane" sollten in
Mannheim auf dem Maimarktgelände erschallen, das Wetter wäre dafür auch geradezu
bombastisch gewesen; weil der Vorverkauf jedoch eher schleppend lief, hätte ein
Freiluft-Konzert finanzielle Einbußen bedeutet, das Ereignis wurde in die
Maimarkthalle verlegt. Jedoch durfte das Publikum nach Lust und Laune rein und
raus, draußen versuchten zahlreiche Imbiß- und Getränkestände den
Open-air-Charakter wenigstens teilweise zu retten.
Drinnen empfiehlt sich der Aufenthalt indes nur für gestählte
Naturen. Über 10 000 Besucher an einem extremen Hitzetag in einer Stahl- und
Beton-Halle lassen manchen schon mal in die Knie gehen. Zu denen gehört auch
Sänger Angry Anderson von der australischen Combo Rose Tattoo, der sich beim
Auftritt so ordentlich ins Zeug legt, daß er hinterher umkippt. Nach dem
Eröffnungs-Gig der Münchner Band Megaherz, die eine ganz dreiste und
stumpfsinnige Rammstein-Kopie ist, zeigen Rose Tattoo, daß sie noch immer so
dreckigen, rotzigen und gemeinen Rock draufhaben wie in ihren Anfangstagen.
Bluesgetränkte Songs wie "The Butcher And Fast Eddie" mit
einer irre schnittigen Slide-Gitarre oder wilde Kracher wie "Assault & Battery",
"Rock 'n' Roll Outlaw" und "Nice Boys Don't Play Rock 'n' Roll" werden zünftig
dargeboten, Anderson schreit sich dazu die Kehle aus dem Leib - und zeigt
ansonsten, daß das Böse-Buben-Gehabe der Gruppe eben bloß ein Image ist: In
Wirklichkeit ist er selber nämlich ein netter Kerl, spricht das Publikum
konsequent mit "brothers and sinsters" an und streut geradezu messianische
Botschaften in seine Ansagen.
Die englische Gruppe Saxon kann an diese Glanzleistung nicht
ganz anknüpfen. Sie bringt flotten Heavy Metal mit Böllern wie "Solid Ball Of
Rock", klingt aber über weite Strecken, als würden sich die Sünden der
Vergangenheit rächen: Machte die Gruppe in ihren Anfangstagen vor fast zwanzig
Jahren gerne ihren Vorbands das Leben zur Hölle und verstellte ihnen die
Mischpult-Justierungen, so ist nun der Saxon-Sound in der Maimarkthalle
überhaupt nicht gut. Nur wesentlich besser ergeht es US-Sänger Glenn Danzig, der
zudem keinen leichten Stand beim Publikum hat, weil er sich stilistisch zu weit
von seinen Wurzeln entfernt hat. Gut die Hälfte seines Repertoires läßt die Fans
kalt.
Ganz heiß dann die Stimmung bei den Böhsen Onkelz, die mit
einem Top-Sound richtig abräumen. Sie servieren den Gästen einsatzfreudig ihre
schmissigen Hymnen wie "Heilige Lieder" oder "Terpetin" und sparen nicht mit
garstigen Kommentaren: Das Stück "Der nette Mann von nebenan" über
Kinderschänder etwa wird ganz frech "allen Belgiern" gewidmet. Der einfache,
aber effektive Rock der Onkelz wird von den Fans frenetisch gefeiert.