"Lieder wie Orkane" brausten Sonntag über die Insel im Salzgittersee. Das mit
Spannung erwartete Freiluftkonzert mit den Böhsen Onkelz lockte nach
Veranstalterangaben etwa 12 000 Besucher über die Brücke am Fredenberger Ufer.
Das im Vorfeld befürchtete Festival der rechten Szene fand in Lebenstedt nach
den bis zum Redaktionsschluß vorliegenden Erkenntnissen nicht statt. Viele
Rockfans waren offensichtlich auch gekommen, um Heavy-Metal-Klassiker wie Rose
Tatoo oder Saxon zu erleben, auch Megaherz aus München und der Amerikaner Glen
Danzig wurden begeistert gefeiert.
Der Schreiber dieser Zeilen war gewiß nicht unbeeinflußt zu dieser
Veranstaltung gegangen. Wer schon einmal beobachtet hat, wie massiv eher der
rechten Szene zuzuordnende junge Männer Discjockeys mitunter zum Auflegen von
alten Onkelz-Hymnen wie "Nur die besten sterben jung" aufforderten, der kann nur
schwer glauben, daß die Band mit dieser Klientel gar nichts mehr zu tun haben
will.
Um den ausgestreckten Arm in Augenhöhe zu unterbinden,
mit dem diese Lieder von einigen Unverbesserlichen oft begrüßt wurden, standen
auch in Salzgitter knapp 100 Ordner bereit. Teilweise waren sogar Podeste mitten
im Publikumsbereich aufgebaut, um die Menge besser beobachten zu können. Die
Onkelz wollen den rechten Stallgeruch anscheinend mit Macht abstreifen.
"Mittlerweile akzeptieren ihre Fans auch andere Gruppen, für uns lief die
gemeinsame Tournee jedenfalls ganz gut", berichtet Fritz Randow, der neuerdings
die Trommeln für Saxon bearbeitet. Der schon beim Drummer-Meeting in der
Feuerwache aktive Schlagzeuger feierte in Salzgitter Wiedersehen mit seinem
Kollegen Ralli Lewitzki, der die Band erst einmal auf die Insel lotsen mußte.
Denn Saxon war der Festival-Beschilderung gefolgt und über die total zugeparkte
Humboldtallee zur Insel gekommen. Das letzte Stück zum Konzert mußten sie aber
wie alle Musiker mit dem DLRG- oder Feuerwehr-Rettungsboot absolvieren, die
Abfahrtsstelle lag am entgegengesetzten Ufer. Megaherz sangen gerade das Lied
"Über den Jordan", als Saxon übersetzten.
Auf der Insel erwartete jede Band ein eigener Wohnwagen, nur der Hauptband
stand ein doppelter Büro-Container zur Verfügung. Die Onkelz setzten sich aber
dennoch lieber in den Schatten eines Sonnenschirmes vor ihrer provisorischen
Garderobe, um bei offensichtlich bester Stimmung den Darbietungen ihrer Vorbands
zu lauschen.
Im Bereich hinter der Bühne war aber auch Günter Klatt zu finden. Der Leiter
des Bauordnungsamtes überprüfte die Einhaltung der vorgegebenen Lautstärke-Pegel
und die Bühnenkonstruktion: "Die ist zwar materiell, aber nicht formell in
Ordnung." Wegen eines fehlenden Prüfbuchs hätte Klatt die Konstruktion
eigentlich nicht freigeben dürfen, doch die solide Statik führte zu einer
"teilweisen Aufhebung der Nutzungsuntersagung".
Eine Sorge weniger für Konzert-Veranstalter Klaus Ritgen. Angesichts des
Besuchs von etwa 12 000 statt der kalkulierten 15 000 Zuschauer hoffte er auf
einen ordentlichen Umsatz an den Verkaufsständen, um das Festival nicht mit
einem Defizit abschließen zu müssen. Denn der logistische Aufwand bei einem
Open-Air-Konzert verursacht erhebliche Fixkosten.
Für die Stromversorgung beispielsweise sorgen drei Generatoren, die von drei
Schiffsdieselmotoren angetrieben werden. Knapp 25 Helfer gewährleisteten einen
meist reibungslosen Bühnenumbau. Außerdem war ein mit mehr als 60
Kreislaufzusammenbrüchen befaßter privater Rettungsdienst zu entlohnen ebenso
wie die Dienstleistungen der Berufsfeuerwehr und der Wehren aus Lichtenberg und
Lobmachtersen.
Doch als die Onkelz pünktlich um 20.30 Uhr die Bühne betraten, wurde nur noch
gefeiert. Über die Auftritte der Bands wird die SZ noch berichten. jwd